Benno und Annegret Steller sind seit 14 Jahren für den Amphibienschutz im Einsatz. Beim Plausch am Krötenzaun erzählten sie, was alles dahintersteckt.
Kröten sagen mehr als „Quak“
Es fiepst anrührend. Das Geräusch kommt aus einem Eimer. Und darin sind mehr als 20 krabbelnde Kröten zu sehen. Benno und Annegret Steller zeigen ihre Schutzbefohlenen, die sie beim Postverteilzentrum, am Straßenstück zwischen Stahlhofen a.W. und Höhn, aufgesammelt haben.
Diese Tiere werden (nicht nur) an diesem Morgen von den Ehrenamtlichen bis zu einem kleinen Teich gebracht und ans Wasser gesetzt. Auf dem Weg dorthin sind auf dem Asphalt einige überfahrene Kröten zu sehen, was deutlich macht, wie wichtig die Arbeit der Krötenretter ist.
Der Gang zum Ufer
Die Eskorte bis zum Ufer gibt es, weil die Tiere im Hellen sonst schutzlos den Krähen ausgeliefert sind, wie Stellers erklären. Sie stupsen einige sacht an. Erst als alle weggetaucht sind, ist das Ehepaar beruhigt.
Einige „Doppeldecker“ waren dabei: Hier hat sich das kleine Männchen schon an dem stattlichen Weibchen festgeklammert. Normalerweise trägt (Kröten laufen, sie springen nicht) sie ihn über Hunderte Meter, ja kilometerweit bis zu dem Gewässer, wo sie selbst ihre Kinderstube hatte. Nach dem Ablegen der Eier werden die Laichschnüre von dem Männchen besamt.
Rückläufer bekommen auch Unterstützung
Dann geht es für die meisten bald wieder zurück in ihren Lebensraum im Wald. Diese „Rückläufer“, meist Erdkröten, nimmt das Ehepaar Steller auf der anderen Straßenseite aus dem Sammeleimer und setzt die Tiere im hohen Gras aus, wo sie Deckung finden vor den hungrigen Vogelblicken. Bei den Weibchen ist deutlich zu sehen, dass ihre zuvor prallen Bäuche nun ganz weich und faltig sind.
Der Geburtsort wird bevorzugt
Die Umwandlung von Ei über Kaulquappe bis zur Jungkröte dauert zwei bis vier Monate, je nach Temperatur. Danach geht es ans Land. Einige Jahre später wird die neue Generation selbst geschlechtsreif und sucht dann zum Ablaichen zumeist den Teich auf, wo sie selbst zur Welt kam: Ein Kreislauf. Wenn aber das alte Gewässer nicht mehr existiert und keine Alternativen zu finden sind, wird es kritisch. Daher hat die Verbandsgemeinde Westerburg, angeregt vom Umweltbeauftragten Rolf Koch, eigens für die Amphibien Wassertümpel im derzeit ansonsten leeren Wiesensee angelegt.
Sicherheit ist immer ein Thema
Annegret Steller und ihr Mann zogen 1997 von Essen in den Westerwald. Beide waren lange beim BUND Westerburg engagiert, seit 2009 sind sie bereits ehrenamtliche Krötenretter. Schon aus Sicherheitsgründen sind sie gerne zu zweit. Das gilt nicht nur nachts, wenn sie im kärglichen Licht ihrer Stirnlampe für die Rettungsaktionen über Grasbüschel, Schotter und Straßen laufen.
An diesem Morgen geht es auch über rutschige, nasse Erde und unebenes Gelände, es wird gekniet und geschleppt – und das mit 81 und 78 Jahren. Und während sie am Straßenrand hantieren, fahren die Autos dicht und zügig an ihnen vorbei.
Mehrmals haben Autos Benno Steller mit dem Seitenspiegel schon gestreift, erzählt er. Er kennt die Aggressionen genervter Fahrer, die zwar kilometerweise für Zigaretten fahren würden, aber bei Krötensperren ihre ganze Geduld verlieren. „Aber es gibt auch Menschen, die langsam machen, wenn sie die Ehrenamtlichen oder die Kröten sehen. Und manchmal gibt es lobende Worte“, freut sich Annegret. „Einmal hielt eine Frau an und fragte, ob ich ihren Kinder im Auto mal eine Kröte zeigen könnte, sie hätten noch nie eine gesehen. Die Kleine hat dann auch gleich eine gestreichelt“, erinnert sich Benno.
Die Hilfe für die Tiere stellt er teilweise über das eigene Wohl. Selbst Arzttermine werden dafür verschoben. „Zwei Helfer sind ausgefallen, eine andere kann nicht kommen, da ihr Auto kaputt ist.“ Er selbst sei nicht mehr gut zu Fuß, so Benno Steller. Wer soll es also sonst tun?“, sagen sie. Und ihr Ehrenamt müssen sie sich auch finanziell leisten können – selbst das Benzingeld für die vielen Fahrten tragen sie selbst.
Viel Arbeit rund um die Krötenzäune
Die Krötenschutzzäune stellt die Straßenmeisterei auf. Etwa alle 25 Meter sind mittlerweile Rohre in die Erde eingelassen, die außerhalb der Saison mit einem Deckel verschlossen sind. Im Frühjahr, wenn die Temperaturen über 8 Grad erreichen, werden hier Eimer reingestellt, die morgens und abends kontrolliert werden müssen. Sind Tiere darin, werden sie auf die andere Straßenseite oder in Deckung gebracht. Das ist viel Arbeit. „Und ein Autoanhänger wird benötigt, um die Deckel und die 85 Eimer zu transportieren“, erklärt Benno Steller.
Ein Kreis von Helfern
Bei dem Postverteilzentrum, zwischen Stahlhofen und Winnen sowie an der Straße beim Secker Weiher sind Stellers und zehn weitere fleißige Helfer im Einsatz. Sie kommen aus Westerburg und Rennerod und stehen bei allen Wetterlagen parat. Auch die Absprache untereinander muss stimmen.
Aktuell ist über Ostern eine Kälteperiode gemeldet, dann ist voraussichtlich eine Woche lang kaum ein Froschlurch unterwegs. In Absprache mit der Kreisverwaltung wurden die Eimer nun entfernt und die Röhren mit den Deckeln verschlossen, um keine Tiere – und sei es eine Maus – hier verenden zu lassen. Das ist ein größeres Unterfangen. Und danach wird beobachtet, ob die warme Witterung noch Amphibien Richtung Wasser lockt.
Krötenrettung schützt auch Verkehrsteilnehmer
Es ist viel Aufwand, doch wo Krötenzäune stehen, muss die Straße nicht gesperrt werden. Und die wird nicht etwa nur zum Wohle der Amphibien gesperrt: Durch überfahrene Kröten können die Straßen für Auto- und Motorradfahrende gefährlich rutschig werden. „Plötzliches Bremsen auf diesem Schmierfilm ist wie Bremsen auf Eis“, warnt nicht zuletzt auch der ADAC.
Krötenrettung in Zahlen
Nur ein Tag: Am Freitag vor der Karwoche wurden an der Straße entlang des Golfplatzes 95 Kröten, 2 Molche und ein Frosch gerettet. In Seck waren es 121 Kröten, beim Postverteilzentrum 49 Kröten.
Die geretteten Tiere, Stunden und mehr: Alleine das Ehepaar Steller hat im Jahr 2022 für die Krötenzaunbau (Deckel und Eimer) und die Betreuung 92 Stunden gebraucht und ist 398 Kilometer gefahren. Beide sind nochmals 80 Stunden für die Amphibien unterwegs gewesen. 635 Tiere konnten sie retten.
Zum Vergleich: 2021 waren es 337 Tiere, 2020 340 und im Jahr 2019 528 Tiere – in einer Zeitspanne von meist 2 bis 7 Wochen. Aber 2016 dauerte die Krötenwanderung nur zehn Tage (2016); 2022 dagegen zog sich die Zeit über 9,5 Wochen hin.
Verlässliche Helfer sind willkommen
Im kommenden Jahr wird für sie im Februar eine Vorbesprechung stattfinden. Kontaktdaten können Interessierte bereits an Benno Steller melden: 02664/5372.
ZITAT
Krötenrettung mit 81 Jahren. „Das schaffen Sie?“ Antwort von Benno Steller: „Meine Frau sagt Nein.“
(Text und Fotos: Tatjana Steindorf, 03.04.2023)